Text Ausstellung Kunstverein Schwetzingen - Frank Nitsche

Frank Nitsche Malerei Grafik
Frank Nitsche - Malerei Grafik
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Text Ausstellung Kunstverein Schwetzingen

Information
Zur Malerei von Frank Nitsche
Einführende Worte im Katalog "Jenseits des Sichtbaren" - Malerei von Frank Nitsche
Prof. Josef Walch

Frank Nitsche studierte an der Kunsthochschule Halle Burg Giebichenstein - dort sind wir uns begegnet - er war Gaststudent bei Ulrich Hachulla an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Entscheidende Anregungen erhielt er sehr früh während eines Lehramtsstudiums in Halle durch den Maler Paul Otto Knust, einem Künstler der Klassischen Moderne, die man auch aufgrund ihrer Biografie als „verlorene“ Generation bezeichnet. Knust war Meisterschüler an der Hallenser Kunsthochschule bei Charles Crodel, er machte Frank Nitsche mit dem vertraut, was in seinem eigenen Studium im Mittelpunkt stand, dem Studium der künstlerischer Grundlagen wie Naturstudium, Komposition, Anatomie/Morphologie...(von griechisch μορφή, morphé, „Gestalt, Form“, und λόγος, lógos, „Wort, Lehre, Vernunft“) als Lehre von den Formen und ihrem Wandel. Es ist ein zeichnerisches Studium, das dem Künstler eine Vielzahl bildnerischer Wege eröffnet. In diesem Kontext kann man auch Albrecht Dürer mit seinem berühmten Satz zitieren: „Alles, was der Künstler besitzen will, muss er aus der Natur herausreißen“. Reißen ist das altdeutsche Wort für Zeichnen.
Die vielen Skizzenbücher von Frank Nitsche sind Dokumente dieses Prozesses. Gerade die Anatomie, die Faszination für Menschenbilder, die eine geistesgeschichtliche  und wissenschaftliche Dimension hat, ist für viele Künstler, auch wenn sie nicht figurativ arbeiten, immer noch von großer Bedeutung. Als Beispiel kann man hier die „Leipziger Schule“ mit Neo Rauch an der Spitze nennen. Auf den Internetseiten der Hochschule der Bildende Künste Dresden findet sich – ganz aktuell – folgendes Zitat zur Anatomie im Kontext des künstlerischen Studiums: „Das Schiff des Geistes wiegt und wälzt sich auf dem Ozean des Körpers, sagt Paul Valéry. Für den Kunststudenten kann es nützlich sein diesen Ozean zu kartographieren, hier und dort sogar einige Tiefseeprobebohrungen durchzuführen. Die Künstleranatomie ist ein wichtiges Werkzeug dieses kartographischen Prozesses.
Obwohl uns die Oberfläche des menschlichen Körpers mit überraschender Genauigkeit die innere Konstruktion enthüllt, kann sie uns keine befriedigende Antwort über dessen Aufbau, Funktion und Architektur geben.Zum Zweck des anatomisch-zeichnerischen Kennenlernens müssen wir von innen nach außen denken und vorgehen, verwenden hierfür verschiedene anschauliche Hilfsmittel, Modelle und zeichnerische Erklärungen.“
Der Begriff der Kartografie, der hier genannt wird, scheint mir insbesondere geeignet, die künstlerische Methode von Frank Nitsche, zu beschreiben. Kartografie ist die Wissenschaft und Technik zur Darstellung der Erdoberfläche in topografischen und thematischen Karten. Die Kartografie veranschaulicht raumbezogene Informationen.
Darstellungsgegenstände der Kartografie sind die Erde und ihre Oberfläche mit ihren vielfältigen topografischen Gegebenheiten. Frank Nitsche kartographiert in diesem Sinne seine Motive, deren topografischen Begebenheiten, seien es Stillleben, Interieurs oder Landschaften, eine Gruppe von Flaschen auf einem Tisch, ein alter Sessel in einem Raum oder die historischen Fassaden Venedigs. Frank Nitsche analysiert Oberflächen und Formen und entwickelt immer wieder in unterschiedlichen Formaten „Bildtopografien“, denen er mittels Farbe eine emotionale Dimension gibt.
Wassily Kandinsky hat diesen Prozess in folgendem Bild gefasst: „Die Farbe ist die Taste, das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Seiten. Der Künstler ist die Hand die durch diese oder jene Taste zweckmäßig die menschliche Seele in Vibration bringt.“
Fast konsequent nennt Frank Nitsche seine Ausstellung „Ansichten von Innen“ (auch der Anatom verschafft sich durch seine Arbeit „Ansichten von Innen)“. Das bezieht sich nicht nur auf die Figur, die vor allem im Mittelpunkt der Druckgrafiken von Frank Nitsche steht, sondern auch auf Themen wie Stillleben, Interieur, Stadtansichten, Landschaften.
In seinen Bildern unternimmt Frank Nitsche den Versuch, dem Innenleben der uns umgebenden Alltagsgegenstände und alltäglichen Situationen auf die Spur zu kommen, er seziert sie, um neue, überraschende Blicke darauf zu eröffnen.
Von dem bedeutenden Maler des Symbolismus, Odilon Redon, stammt der Satz: „Bevor ein Bild eine Landschaft, einen Akt oder ein Stillleben zeigt, ist es eine plane Oberfläche, bedeckt mit Farben und Formen.“
In den Bildern und Grafiken von Frank Nitsche begegnet uns die äußere Form des Dargestellten. Diese kommt in der Bildwelt Nitsches auf die vielfältigste Weise einher: zerbrechlich, hohl, geheimnisvoll, frech, sinnlich verführerisch oder laut und auftrumpfend. Über die Farbstimmung - die Farbe hat in diesen Bildern einen hohen emotionalen Wert - in und um den Bildgegenstand wird weiteres vom Wesen des Dargestellten erzählt. Es ist der Prozess der Umgestaltung einer Naturform in eine Kunstform. Frank Nitsche schafft es, den Charakter eines „Sessels“ (Serie) oder einer „Kanne“ genauso einzufangen wie den eigenwilligen Zauber der Kulissen Venedigs, die  Fantasie der Künstler immer wieder anregen und zu überraschenden Bildfindungen jenseits aller Klischees führen. Der Künstler zieht den Betrachter magisch hinein in seine Welt opulenter Farben, überquellender Formen und heiteren Hintersinns. Der Betrachter sieht und erlebt eine sinnenfrohe Malerei und Grafik, die ihre Qualität erst recht beim näheren Betrachten offenbaren, dazu fordern vor allem die kleinen Formate auf, die den Betrachter zu einem sehr intimen Dialog einladen. Frank Nitsche sucht in langwierigen Malprozessen zwischen den einzelnen Farbtönen, sind sie einmal gefunden, einen lebhaften Farbzusammenklang, eine Harmonie, ähnlich derjenigen einer musikalischen Komposition.
Ernst Ludwig Kirchner, der große Expressionist, hat diesen Prozess so beschrieben (1926): „Der Maler gestaltet die okulare Konzeption (was für ein schöner, altmodischer Begriff, J.W.) seines Erlebnisses zum Werk. Durch die stete Übung weiß er seine Mittel anzuwenden. Es gibt keine festen Regeln dafür. Die Gesetze für das einzelne Werk bilden sich bei der Arbeit, aus der Aufgabe, die Art der Technik aus der Persönlichkeit des Schaffenden...  Die sinnliche Lust am Gesehenen (und Frank Nitsche weiß dies zu vermitteln, J.W.) ist der Ursprung aller bildenden Kunst von Anfang an... Die instinktive Steigerung der Form im sinnlichen Erlebnis wird impulsiv auf die Fläche übertragen.“
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